Girls’n’Cars: DEATH PROOF – TODSICHER (2007) von Quentin Tarantino

Grindhouse: Death Proof (Death Proof – Todsicher, Quentin Tarantino, 2007)

Grindhouse: Death Proof: The Girls

Texas: “Stuntman Mike” (Kurt Russell) fährt mit seinem Stunt-Auto, einem “1970 Chevy Nova” – im gleichen Grau-Schwarz (eigentlich nur eine Grundierung) gehalten wie der “Chevy One-Fifty” aus Two-Lane Blacktop (Asphaltrennen, Monte Hellman, 1971) -, durch das Land, um sich seine Opfer auszusuchen. In einer Mexiko-Bar trifft er eine erste Girl-Gruppe (Vanessa Ferlito, Jordan Ladd und Sydney Tamiia Poitier) und überredet eines der Mädchen zu einem Lap-Dance. Er gabelt hiernach in der Bar Pam (Rose McGowan) auf, setzt sie in seinen Behelfsbeifahrersitz ohne Sicherheitsgurt, während er in der “todsicheren” Stunt-Fahrerkabine losfährt und sie mit heftigen Fahrbewegungen tötet. Danach bringt “Stuntman Mike” die drei anderen Girls mittels eines Frontalzusammenstoßes in ihrem Auto um.

Grindhouse: Death Proof: The Crash

Während “Stuntman Mike” nur leicht verletzt im Krankenhaus gelandet ist, sehen wir 14 Monate später in Lebanon (Tennessee) eine zweite Girl-Gruppe (Rosario Dawson, Tracie Thoms und Mary Elizabeth Winstead), die mit einem gelb-schwarzen “1971 Mustang Sportsroof” – nach dem Vorbild von “Eleanor” aus Gone in 60 Seconds (Die Blechpiraten, H.B. Halicki, 1974) – auf dem Weg zu dem Stunt-Girl Zoë Bell (die sich selbst spielt) sind. Auch “Stuntman Mike” taucht dort auf, diesmal mit einem schwarzen “1968 Dodge Charger”, dem Wagen von Steve McQueen aus Bullitt (Peter Yates, 1968) und Peter Fonda aus Dirty Mary, Crazy Larry (Kesse Mary – Irrer Larry, John Hough, 1974).

“1968er Dodge Charger” in Bullitt (Peter Yates, 1968) und Dirty Mary, Crazy Larry (John Hough, 1974)

Um zu unterstreichen, dass “Stuntman Mike” weiterhin als Frauen-Killer unterwegs ist, sehen wir bei der Ankunft Zoë Bells am Flughafen eine beinahe exakte Kopie der Titelsequenz von Dario Argentos Debüt-giallo L’uccello dalle piume di cristallo (Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe, 1969), inklusive der Musik Ennio Morricones. Mit dem Auftauchen der zweiten Girl-Gruppe ändert sich auch die optische Erscheinung des Films – intermedialer Kommentar: aus einer beschädigten und unvollständigen Grindhouse-Kopie der 70er Jahre, vorübergehend sogar in Schwarz-Weiß, wird mit dem Wiedereinsetzen der Farbe (Rosario Dawson an einer Tankstelle vor ihrem “1971 Mustang Sportsroof”) ein makellos fotografierter Film des Jahres 2007.

Grindhouse: Death Proof: The Change

Zoë Bell ist nach einem weißen “1970 Dodge Challenger” aus Vanishing Point (Fluchtpunkt San Francisco, Richard C. Sarafian, 1971) aus einer Zeitungsanzeige hinterher. Nachdem die Stunt-Girls das Magazin-Model aus ihrer Gruppe bei einem Backwood abgesetzt haben – nicht ohne ihm vorher zu sagen, dies sei eine Porno-Darstellerin -, machen sie sich mit dessen “1970 Dodge Challenger” auf eine Probefahrt.

Zoë möchte dabei “Schiffsmast” spielen, sich bei voller Fahrt auf die Motorhaube legen und dabei nur mit zwei an den Türen befestigten Gürteln festhalten. Also Zoë bereits auf der Haube liegt, fordert “Stuntman Mike” die Girls mit seinem “1968 Dodge Charger” zu einem Crash-Duell heraus. Die Stunt-Girls drehen den Spieß nach einiger Zeit um, setzen ihren “1970 Dodge Challenger” als Waffe ein, schießen “Stuntman Mike” an, fahren seinen Wagen zu Schrott und legen ihn abschließend mit Faustschlägen und ihren Stiefeln um.

“Dodge Challenger” und “Charger” in Grindhouse: Death Proof: The Chase

Nichts liegt der Pop-Art ferner, als eine „Haltung“, gar eine „Botschaft“ vermitteln zu wollen. Ihr geht es um das Spektakel, um das freie Spiel mit Zeichen, Zitaten, Ikonen und Identitäten, die auf einen sich selbst genügenden, perfekten Schein, auf Ruhm und Glamour aus sind – und das Kino Quentin Tarantinos ist Pop-Art. Auf die eigene Referenzialität zu reflektieren, dies würde die Perfektion des Scheins und das angestrebte Performative sofort zerstören – der erhabene Glanz und das Ikonenhafte eines David Bowie-Konzertes, eines Andy Warhol-Siebdruckes oder von Pulp Fiction verbieten daher geradezu den distanzierten Selbstkommentar.

Grindhouse: Death Proof: The End

Quentin Tarantino hat diese Pop-Art-Attitüde in seinem schmalen Werk über die Jahrzehnte nur zweimal verlassen, 1997 mit Jacky Brown und eben mit Grindhouse: Death Proof, bezeichnenderweise nach jeweils den Filmen, die mehr als alles andere Pop-Art sind, nach Pulp Fiction (1994) und Kill Bill – Volume 1/– Volume 2 (2003/2004). Während es bei Jacky Brown noch Pam Grier als erster weiblicher Action- und Blaxploitation-Star gewesen ist, deren Filmleben sowie reales Leben den Film zu einem Statement jenseits von Tarantinos Zeichen- und Pop-Art-Universum machte, ist es in Grindhouse: Death Proof das Grindhouse-Konzept, das dem Film seine Selbstreferenzialität verleiht.

Grindhouse: Death Proof ist ein Slasher-Movie, der in seiner formellen Zweigeteiltheit und mit seinen zwei Girl-Groups die strengen Genrekonventionen bewusst unterläuft, dabei die misogynen Tendenzen des Genres verwirft und noch eine geradezu geniale Verbindung vornimmt: Die Girls-Gang-Movies von Roger Cormans AIP-Double-Features wie etwa Teenage Doll (Roger Corman, 1957), oder von Jack Hill – beide ohnehin Tarantinos Vorbilder – wie etwa Foxy Brown (1974) und Switchblade Sisters (Die Bronx-Katzen, 1975), sind stets ebenso anwesend, wie beinahe das gesamte Carsploitation-Kino der 60er und 70er Jahre, beginnend mit Jack Hills herausragendem und lange weithin unbekanntem Pit Stop (1969). Tarantino widmete Grindhouse: Death Proof dann auch Roger Cormans wohl bestem Drehbuchautor, Charles B. Griffith, der u.a. Teenage Doll und The Wild Angels (Die wilden Engel, Roger Corman, 1966) geschrieben hatte.

Teenage Doll (Roger Corman, 1957) / Switchblade Sisters (Jack Hill, 1975)

Bereits Jack Hill hatte in den genannten Filmen seine Stunt-Girls immer auch als Schauspielerinnen behandelt und entsprechend eingesetzt, und auch Tarantino kam es genau hierauf an. Alle Männer in dem Film sind Idioten oder Schwächlinge, der Killer Kurt Russell verwandelt sich gegen Schluss in einen Jammerlappen, „Muscles“ haben hier nur die Cars (deshalb ja auch “Muscle-Cars” genannt), sämtlich Ikonen aus den großen Carsploitation-Filmen, eine Ikonenhaftigkeit, die Tarantino diesmal seinen Girls darum auch ersparen kann, um stets ihre Weiblichkeit und vor allem ihre Körperlichkeit zu betonen.

“1970 Dodge Challenger” und “1971 Mustang Sportsroof” in Vanishing Point (Richard C. Sarafian, 1971), Gone in 60 Seconds (H.B. “Toby” Halicki, 1974) und Grindhouse: Death Proof

Die Girls machen den Film, führen ihre eigenen Dialoge, machen die Stunts, räumen wie nebenher noch das sturzkonservative Slasher-Genre beiseite und stehen ihre Frau im Blechgewitter des vielleicht männlichsten aller Filmgenres (Carsploitation), den männlichsten aller Fetische (Cars) dabei souverän beherrschend. Und wer als „Girly“ oder Magazin-Model zu nahe an den Konventionen bleibt, wird beiseite geräumt oder als vermeintliche “Porno-Darstellerin” bei einem Hinterwäldler abgestellt.

Und weil die Girls den Film machen – Reden, Trinken, Tanzen, Fahren, Stunts ausführen -, darf Tarantino selbst nun auch wie der Junge spielen, der er ist, sich als Regisseur einen Traum verwirklichen und mit einem enormen Aufwand an Geld und Zeit – und ganz ohne CGI – eine große Autoverfolgungsjagd inszenieren, sich dabei ganz der physisch-handwerklichen Seite des Filmemachens hingeben. Ob diese Verfolgungsjagd im Endergebnis dann tatsächlich zu den „drei besten der Filmgeschichte“ zählt, was er erklärtermaßen erreichen wollte, sei dahingestellt, Grindhouse: Death Proof jedenfalls ist nach Jackie Brown sein bester Film – weil es sein physischster, sein körperlichster geworden ist.

 

Bild-/Tonträger:

Blu-ray: “Death Proof – Todsicher” (Universum Film, 2008), Bild: 16:9-2.35:1, Ton: Deutsch/Englisch.

Soundtrack-CD: Verschiedene Interpreten: “Quentin Tarantino’s Death Proof” (Maverick/Warner, 2007).

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