(Not) A Quiet Man – Nachruf auf TOBE HOOPER

Die meisten der vielen Millionen Kinogänger, die sich Blockbuster von Peter Jackson wie The Lord of the Rings (2001) und Saim Raimi wie Spiderman (2002) angeschaut haben, dürften wohl nicht gewusst haben, wie diese Regisseure einmal anfingen, mit dem Splatter- und Terrorkino und heute längst zu Kultfilmen und Genre-Klassikern avancierten Filmen wie Evil Dead (1981), Bad Taste (1987) und Braindead (1992).

Für den 1943 in Austin, Texas geborenen Tobe Hooper war eigentlich nach seinem The Texas Chainsaw Massacre (1974) der gleiche Weg vorherbestimmt. Doch es sollte anders kommen. Bis heute ist noch nicht geklärt, was an dem als Durchbruch zum ganz großen Kommerzkino angelegten Poltergeist (1982) vom Regisseur Hooper und was vom Produzenten Steven Spielberg stammte.

Tobe Hooper (1943 – 2017)

Jedenfalls landete Hooper mit seinen Filmen hiernach sehr bald in der hinteren Reihe der Genreregisseure und über die Jahre im unüberschaubaren Dickicht der Direct-to-Video-Produktionen. So wie der ebenfalls kürzlich verstorbene George A. Romero und alsbald sogar ein Dario Argento. Doch ist er nicht weniger als diese stilbildend gewesen und dies in der Tat nur mit diesem einen Film, eben The Texas Chainsaw Massacre. Auch sein eigener Versuch, diesen Auf- und Umbruch mit The Texas Chainsaw Massacre 2 (1986) noch einmal zu wiederholen, scheiterte und geriet im Gegensatz zur direkten Roheit des Originals eher manieristisch.

The Texas Chainsaw Massacre ist der Ur-Film des modernen Terror-Kinos, von einer heute atemberaubend wirkenden formalen Hoheit und zugleich grotesken Überzogenheit. Ein Film, der tatsächlich über die Jahre einen enormen Einfluss – und dies nicht nicht nur auf Genre selbst – ausgeübt hat, bis hin zu Christoph Schlingensiefs Das deutsche Kettensägenmassaker (1990).

Angelegt als einer der vielen Verfilmungen der Geschichte des „Quiet Man“, des Serienmörders Ed Gein – die Bekannteste dürfte wohl Alfred Hitchcocks Psycho (1960) nach einem Drehbuch von Robert Bloch sein -, war The Texas Chainsaw Massacre in Wirklichkeit ein Schlüsselfilm in vielerlei Hinsicht. So hat Georg Seeßlen nicht zufällig diesen Film hervorgehoben, um an ihm den Mythos des neueren Terror-, Slasher- und Splatterkinos, „dass die Grausamkeit überall und der Zustand unserer sich in ihrem Endstadium befindenden Gesellschaft ist“, festzumachen.

The Texas Chainsaw Massacre (1974)

Hierin, aber vor allem darin, dass Hooper den Betrachter mit einer entfesselten Kamera, irrsinnig überzeichneten Figuren, einem wahnwitzigen Sound Design und unglaublicher Brutalität über achtzig Minuten dem schieren Terror aussetzte, lag das Prägende des Films – wie auch die in ihm angelegte Sackgasse. Denn der Torture Porn und die formalen Exzesse des Horrorkinos heute zeigen, dass die im Original bereits angelegten Überbietungswettbewerbe bezüglich der Gewalt sowie den formalen Überwältigungen des Betrachters diesem Um- und Aufbruch im Grunde nichts mehr Wesentliches hinzufügen können. Und schon garnicht seiner Botschaft.

Was darum wohl vom Terror-Kino bleibt ist dieser eine Film von Hooper, einer der formal besten und revolutionärsten in der gesamten Genregeschichte, der seinerzeit wie ein Tritt in die Magengrube wirkte und auch heute noch wirkt, auch wegen seiner ernüchternden Aussage, dass unter der dünnen Decke unserer westlichen Zivilisation ein verfaulender, zutiefst inhumaner Kern vor sich hin rottet.

Nein, aufgeblasene Heldengeschichten fürs Millionenpublikum zur Verhübschung dieser dünnen Decke, mit denen einstige Underground-Filmemacher wie Peter Jackson und Sam Raimi später berühmt geworden sind, die hätte er wohl garnicht drehen können.

Tobe Hooper, einer der ganz wenigen Regisseure, die mit einem einzigen Film Filmgeschichte geschrieben haben, ist gestern in Sherman Oaks, Kalifornien gestorben.

 

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Die lebenden Toten und die toten Lebenden – Nachruf auf GEORGE A. ROMERO

“Les Morts gouvernent les Vivants” (“Die Toten regierenden die Lebenden”) – Auguste Comte (Soziologe), 1891.

Am 16. Juli starb der 1940 in der Bronx geborene George A. Romero. Wie beim Tod von David Bowie, so beschlich mich noch einmal das Gefühl, dass da jemand (dann doch) von uns gegangen ist, der eigentlich nicht gehen konnte, der in seiner Einmaligkeit und seiner (Pop-)Kultur prägenden Unverwechselbarkeit immer dazu gehören, immer da sein musste.

Night of the Living Dead, 1968

Die Toten kehren zurück – das war seine Erzählung, etabliert in seiner Zombie-Trilogie Night of the Living Dead (1968), Dawn of the Dead (1978) und Day of the Dead (1985). Man kann sich die Wirkung, die Dawn of the Dead seinerzeit auf uns hatte, heute kaum noch vorstellen. Der „Kaufhauszombie“, wie man den Film damals nannte, hat Seherfahrungen und Filmgeschichte geprägt, danach ein ganzes Genre ins Leben gerufen.

Doch zunächst gab es in den Achtzigern die „Horrorvideo-Debatte“ und „Mama, Papa, Zombie“ im Fernsehen. Zombie- und Kannibalenfilme wurden Reihenweise wegen „Gewaltverherrlichung“ beschlagnahmt, auch die Videokassetten des immer wieder in neuen Fassungen veröffentlichten „Kaufhauszombie“. Wie Argento, Fulci und Lenzi, so wurde auch Romero für uns ein Held „verbotener Filme“, die man gerade deswegen natürlich sehen musste.

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