Die lebenden Toten und die toten Lebenden – Nachruf auf GEORGE A. ROMERO

“Les Morts gouvernent les Vivants” (“Die Toten regierenden die Lebenden”) – Auguste Comte (Soziologe), 1891.

Am 16. Juli starb der 1940 in der Bronx geborene George A. Romero. Wie beim Tod von David Bowie, so beschlich mich noch einmal das Gefühl, dass da jemand (dann doch) von uns gegangen ist, der eigentlich nicht gehen konnte, der in seiner Einmaligkeit und seiner (Pop-)Kultur prägenden Unverwechselbarkeit immer dazu gehören, immer da sein musste.

Night of the Living Dead, 1968

Die Toten kehren zurück – das war seine Erzählung, etabliert in seiner Zombie-Trilogie Night of the Living Dead (1968), Dawn of the Dead (1978) und Day of the Dead (1985). Man kann sich die Wirkung, die Dawn of the Dead seinerzeit auf uns hatte, heute kaum noch vorstellen. Der „Kaufhauszombie“, wie man den Film damals nannte, hat Seherfahrungen und Filmgeschichte geprägt, danach ein ganzes Genre ins Leben gerufen.

Doch zunächst gab es in den Achtzigern die „Horrorvideo-Debatte“ und „Mama, Papa, Zombie“ im Fernsehen. Zombie- und Kannibalenfilme wurden Reihenweise wegen „Gewaltverherrlichung“ beschlagnahmt, auch die Videokassetten des immer wieder in neuen Fassungen veröffentlichten „Kaufhauszombie“. Wie Argento, Fulci und Lenzi, so wurde auch Romero für uns ein Held „verbotener Filme“, die man gerade deswegen natürlich sehen musste.

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NEO-GIALLO – THE NEON DEMON (2016) von Nicolas Winding Refn

The Neon Demon (Nicolas Winding Refn, 2016)

A movie love to hate: The Neon Demon ist eine coming of age-Geschichte der Hauptprotagonistin Jesse (Elle Fanning) in der hypermodernen Oberflächenwelt des Modell-Business und der Synthesizer-Klänge mit ihren dumpfen Rhythmen, Klangflächen und kleinen verführerischen Melodien (des deep base und trance). Er ist auch die Geschichte des unschuldig-reinen Mädchens vom Lande, das in der archischen Urhorde des Business den drei bösen (weil: coming out of age) Hexen Ruby, Sarah und Gigi (Jena Malone, Abbey Lee Kershaw und Bella Heathcote) begegnet, die sich am Schluss – das Urbild des archaisch-magischen Rituals schlechthin – die Kraft des Feindes mit dessen Körper und Auge einverleiben – das Auge, weil es in Nicolas Winding Refns Film um das Sehen geht. Erzählt wird dies in einer Bildsprache, die vollkommen scham- und haltlos mit der Selbstzweckhaftigkeit des Schönen, der Farben, des Lichts, der Rhythmen, der Formen und des Goldenen Schnitts verführt.


The Neon Demon

Das, was man in der Filmwissenschaft mittlerweile „Neo-giallo“ nennt, hat micht nie überzeugt – bis zu The Neon Demon. Denn genau das, was den giallo eigentlich ausmachte, schafft Refn hier in beeindruckender Art und Weise erstmals wieder neu: die Verbindung eines rein affirmativen und performativen Kinos der Schöhnheit und der Verführung mit den finstersten Ausprägungen der menschlichen Psyche und dem Archaischen. Der Film hat dabei kein wirkliches Narrativ, er liefert diesbezüglich nicht mehr als ein paar zweckdienliche Hinweise, er hat folglich auch keine Moral. Wie für Argento, so scheint auch für Refn Moral hier vielmehr eine Frage eines „ästhetischen Verhaltens“ (Nietzsche) zu sein. So lautet der zweckdienlichste Hinweis in dem Schlüsselsatz des Films dann auch: „Schönheit ist nicht alles – Sie ist das Einzige.“

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